Man muss nur Schubladen öffnen – Kommentar bei derStandard.at
Föderalismusreform: Der Bund muss wissen, was er will
Bundesrat abschaffen! Steuerhoheit für Länder! Länder abschaffen! Bundesrat verkleinern, aber aufwerten! Die jüngere Debatte über eine Reform föderaler Strukturen in Österreich erinnert an Menschen in einer dunklen Grotte, die sich ihre Funde, die im Lichtkegel der Stirnlampe aufleuchten, lauthals zurufen. Ein Gesamtbild muss so im Dunkeln bleiben, und im Echo sind die Rufe ohnehin kaum verständlich.
Föderalismus ist auch ein System zur Moderation von Machtkonflikten, zwischen Zentrale und Regionen, zwischen reichen und armen Regionen. Ein Mittel dazu ist der Wettbewerb, die Möglichkeit, hier andere und vielleicht bessere Lösungen und Konzepte anzubieten als der Nachbar.
Eingebettet sein muss ein Föderalismus, will er gelingen, einmal in ein gesamtstaatliches Steuerungskonzept, das Ausbrüche der Glieder oder der Zentrale verhindert. Dann ist ein Grundkonsens über Autonomie der Glieder und Solidarität mit dem Ganzen und den Schwächeren nötig, und die Einhaltung der Kongruenz von Aufgaben- und Finanzierungshoheit ist Bedingung für ein Gelingen im dezentralen Aufbau des Staats.
Bevor jedoch über Größe des Bundesrates oder Höhe der Finanzierung der Länder debattiert wird, muss die Republik sich Klarheit darüber verschaffen, wie sie künftig Aufgaben und Zuständigkeiten verteilen will. Im Parlament will die Koalition (einmal mehr) eine Reformkommission einsetzen. Wissenschaft und Thinktanks haben längst detaillierte Konzepte zur Neugestaltung des Fiskalföderalismus, der Bund-Länder-Beziehungen, der Kompetenzen von Landesparlamenten und Bundesrat in die Schubladen der Politik gelegt. Diese gilt es zu öffnen (Schubladen und Politik) und auf breiter Basis, im europäischen Rahmen, sachlich zu diskutieren. Es geht um Machtfragen, und es gehört Mut dazu! (Stefan August Lütgenau, DER STANDARD, 5.3.2014)