Können Klimarat und Co. das Vertrauen in die Demokratie wieder beleben?

Internationale ExpertInnen aus knapp 10 Ländern diskutieren in Wien Konzept der deliberativen Demokratie anhand von Beispielen in ihren Ländern.

Auf Einladung der Foster Europe Foundation diskutierten am Mittwochabend internationale Expert:innen das Konzept der deliberativen Demokratie zum Auftakt einer dreitägigen Veranstaltungsreihe anlässlich der bereits abgeschlossenen Conference on the Future of Europe der EU. Im Rahmen seiner Eingangskeynote berichtete Nationalratsabgeordneter Lukas Hammer (Die Grünen) von den ersten Erfahrungen mit dem österreichischen Klimarat, einem Vorreiter für mögliche Bürgerbeteiligungsprozesse.  

Wien, 8. September 2022. Die Zufriedenheit mit der heimischen Demokratie ist laut dem aktuellen Demokratieradar des Austrian Democracy Lab (ADL) weiter auf einem Rekordtief. Das Vertrauen in die Politik und deren Handlungen sinkt zunehmend. Doch wie macht man Demokratie wieder attraktiv für die Gesamtbevölkerung? Ist die repräsentative Demokratie noch ein Modell der Zukunft oder bedarf es einer Weiterentwicklung? Auf Einladung der Foster Europe Foundation diskutierten Expert:innen aus knapp zehn Ländern neue Modelle der frühen Einbeziehung von Bürger:innen in politische Entscheidungsprozesse. Ziel der mehrtägigen hochkarätigen Diskussionsveranstaltung ist es die Bedeutung von Bürgerbeteiligungsprozessen für die Entwicklung der Demokratie in Europa zu beleuchten. Den Auftakt machte am Mittwochabend eine Keynote des österreichischen Nationalratsabgeordneten Lukas Hammer (Die Grünen) sowie ein im Anschluss folgender Public Roundtable unter Moderation Stefan Lütgenaus, Leiter der Foster Europe Foundation.

Vorzeigemodelle aus Österreich  

In Österreich sorgte zuletzt der Klimarat für Aufsehen. In Vorarlberg werden seit bereits 15 Jahren regelmäßig Bürgerräte auf Gemeinde-, Regionen- und Landesebene einberufen. Das Konzept der deliberativen Demokratie, die aktive Miteinbeziehung von Bürger:innen am Demokratieprozess, könnte ein Lösungsansatz sein, der einen effektiven und zukunftsweisenden Beitrag leistet die Demokratien in Europa weiterzuentwickeln und diese näher an die Bürger:innen zu bringen. „Die Klimakrise betrifft uns alle und wir können sie nur gemeinsam mit den Bürger:innen lösen. Der österreichische Klimarat ist ein wunderbares Beispiel dafür, welche Kraft demokratische Beteiligung entwickeln kann, wenn 100 zufällig ausgewählte und komplett verschiedene Menschen aus ganz Österreich gemeinsam an Lösungen für die Klimakrise arbeiten. Und die Empfehlungen zeigen uns klar: Die Menschen sind bereit für wirksamen Klimaschutz.“ sagt Lukas Hammer, Sprecher für Klimaschutz und Energie der Grünen.

 

Conference on the Future of Europe: Deliberative Demokratie auf EU Ebene

Auch das Demokratiedefizit der EU kann mit Mitteln der deliberativen Demokratie erfolgreich angegangen werden, wie die Ergebnisse der Conference on the Future of Europe gezeigt haben. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass deliberative Demokratie kein Gegenentwurf zur repräsentativen Demokratie sein kann, sondern diese um moderne und bürgernahe Elemente ergänzt. Gleichzeitig ist es von zentraler Bedeutung, deliberative Prozesse sachlich und fachlich zu begleiten und in ein System von Information, Moderation und Reaktion einzubetten. „Österreich, aber auch Europa im Gesamten, könnte von deliberativer Demokratie profitieren, da in diesem Prozess nicht nur Vertrauen aufgebaut werden kann, sondern darüber hinaus Bürger:innen an politischen Entscheidungen teilhaben können und so an die  Politik herangeführt werden. Dazu braucht es eine qualifizierte und vertiefte öffentliche Debatte und ein gemeinsames Lernen im Umgang mit ebendiesem Konzept der deliberativen Demokratie“, so Stefan Lütgenau zu Beginn der Auftaktveranstaltung ergänzend.

 

Hochkarätiges Podium bei Auftaktveranstaltung

Willkürliche und fehlerhafte Beratungen können das gesamte Konzept der deliberativen Demokratie diskreditieren. Dies gilt insbesondere, wenn autoritäre und diktatorische Systeme „Deliberation“ für sich missbrauchen. Bei einer hochkarätig besetzten Diskussion berichteten vier ausgewiesene Expert:innen aus vier verschiedenen Ländern von heimischen und internationalen deliberativen Demokratieprozessen und deren Auswirkungen sowie von den größten Irrtümern, die damit einhergehen. Doch auch im Rahmen der Diskussion wurde erneut betont, dass die deliberative Demokratie nicht als Ersatz zur repräsentativen Demokratie zu betrachten ist: „Vielmehr soll die deliberative Demokratie den politischen Entscheidungsprozess um neue Ideen und Lösungsansätze bereichern“, so Jón Ólafsson abschließend.

Am Podium diskutierten:

·       Jón Ólafsson, University of Iceland

·       Peter Stone, Trinity College, Dublin

·       Elena García Guitián, Universidad Autónoma de Madrid

·       Yanina Welp, Albert Hirschman Centre on Democracy, Geneva Graduate Institute of International and Development Studies.

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