Föderalismus im 21. Jahrhundert. Effizienz und Verantwortung im modernen föderalistischen Staat
erschienen als FÖDOK 34 beim Institut für Föderalismus, Innsbruck, 2012.
Effizienz und Verantwortung im modernen föderalistischen Staat Wesentliches Strukturmerkmal des Föderalismus ist die Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen und des politischen, auch des finanzpolitischen Handelns der Gliedstaaten und des Bundes, die zu Innovationen und wechselseitigem Lernen sowie einem befruchtenden Wettbewerb führt, gleichzeitig aber auch die Dominanz zentraler Macht bricht. Diesen Föderalismus gibt es aber auch und gerade im 21. Jahrhundert ohne echte Gesetzgebungs- und Finanzhoheit nicht. Föderalismus lebt von der Unterschiedlichkeit des politischen Gestaltungswillens der Gliedstaaten. Dabei muss der Grundsatz eines „solidarischen interregionalen Wettbewerbsföderalismus“ gelten, dem eine Koordination durch einen gemeinsam beschlossenen und getragenen „Ordnungsrahmen“ iS einer (Wettbewerbs-) Ordnung vorlaufen muss. Im Föderalismus bedarf es des Weiteren insbesondere eines bestimmten Vertrauensverhältnisses („Bundestreue“, „Ländertreue“) auf personeller und institutioneller Ebene. Und es bedarf dabei auch der Bereitschaft der politischen Akteure im Föderalismus, Verantwortung tragen zu wollen, die Bereitschaft, sowohl eine eigenständige Politik zu betreiben als auch Kooperationen einzugehen, im Wettbewerb wechselseitig voneinander zu lernen sowie Aufgabe und Funktion des Anderen im europäischen Mehrebenensystem zu akzeptieren.
Föderalismus Österreich – die wichtigsten Problemfelder
Der österreichische Bundesstaat realisiert die Vorzüge eines föderalen Systems nur unzureichend. Die Kompetenzen sind unnötig zersplittert, die Länder wären in vielen Bereichen völlig marginalisiert, gäbe es nicht das Instrument der Privatwirtschaftsverwaltung. Ein weiterer Problempunkt ist der notorisch schwache Bundesrat. Entgegen vieler Ansätze der Vergangenheit besteht das vorrangige Problem nicht in der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten. Der bestehende Zentralisierungsgrad schlägt sich vor allem in der Vollziehung und deren Finanzierung negativ nieder. Immer mehr Staatsaufgaben wurden und werden durch eigene Bundesbehörden erledigt und die mittelbare Bundesverwaltung, mutiert vom Regelfall immer stärker zum Ausnahmefall. Und insbesondere stellt die Finanzverteilung, die die Länder (und Gemeinden) in einem unverhältnismäßigen Ausmaß dem Bund unterordnet, ein weites Problemfeld dar. Die dortige Dominanz des Bundes, aber auch der Verbundregelung veranlasst ‚von außen Beurteilende’ den österreichischen Finanzausgleich insgesamt, insbes. aber jenen des Finanzausgleichs i.e.S. als ‚wenig föderalistisch’ bzw. den österreichischen Föderalismus als einem ‚unitarischen Bundesstaat’ entsprechend zu charakterisieren. Österreich priorisiert zudem zu stark das Ziel der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ und vernachlässigt jenes der optimalen Allokation. Der in der Finanzverfassung (Art 2 F-VG) verankerte Grundsatz, wonach die vollziehende Gebietskörperschaft zur Kostentragung verpflichtet ist, begünstigt eine Kostenüberwälzung auf die anderen Ebenen, wodurch erheblich in die Länderautonomie, insbesondere aber in die gemeindliche Selbstverwaltung eingegriffen wurde und wird. Dies führt zu suboptimalen, ineffizienten Erfüllungen der Aufgaben und zu immer größeren Finanzierungsschwierigkeiten.
Föderalismus Österreich – wichtige Reformüberlegungen
Deshalb ist der österreichische Finanzausgleich auch unter Gesichtspunkten des „good governance“ und der „accountability“, aber auch auf Grund der Globalisierung, die viele Rahmenbedingungen ändert, für einen zukünftigen „Wettbewerb der Systeme“ („competition of systems“) reformbedürftig. Die grundsätzliche Stoßrichtung einer österreichischen Föderalismusreform muss darin bestehen, wechselseitiges Vertrauen, Effizienz und Verantwortung im Bundesstaat zu stärken. Dies wird in Österreich wohl nur in einer schrittweisen Anpassung des Systems zu realisieren sein.
Herausgegeben: in 2012
Föderalismusdokumente: Band 34
AutorInnen
Peter Bußjäger, Univ.-Doz., Dr., Direktor des Vorarlberger Landtages, Mitglied des Verwaltungsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein, Direktor des Instituts für Föderalismus Innsbruck.
Stefan August Lütgenau, Mag., Direktor der Stiftung Foster Europe, Foundation for strong European Regions, ist Zeithistoriker. Seine Arbeitsschwerpunkte sind österreichische und internationale Zeit- und Gegenwartsgeschichte mit den Schwerpunkten Diplomatiegeschichte (Détente), NS-Geschichte, Holocaust Era Assets und der Geschichte der Restitutions- und Komenpensationspolitiken. Seit mehr als 10 Jahren ist er aktiv am Aufbau nationaler und internationaler Netzwerke der Zivilgesellschaft beteiligt.
Erich Thöni, Univ.-Prof. Dr., Vorstand des Instituts für Finanzwissenschaft, Universität Innsbruck. Universitätsbeauftragter für internationale Beziehungen, ASEA-Uninet-Koordinator, Universität Innsbruck, Vorsitzender der Kommission für Entwicklungsfragen (KEF) beim OeAD-Wien.